Paulas Schreibtagebuch – Gedanken zum Thema über Blindheit schreiben

Guten Tag,

am Anfang war ein Familienstreit, den ich stark abgewandelt zu einer Kurzgeschichte verarbeitet hatte. Es ging um eine Zankerei meiner Nichten mit meinem Neffen, in den sich die Mutter, meine ältere Schwester, eingeschaltet hatte. Meine Geschichte, deren Titel ich schon gar nicht mehr weiß, lag unbesehen zwei Jahre auf der Festplatte meines Notebooks. Als ich sie gelesen habe, um zu entscheiden, was mit der Datei passieren sollte, wusste ich auf einmal, dass daraus mehr werden sollte. So entstand der Roman Orca, den Ihr auf meiner Autorenseite bei Amazon als Ebook, Hör- und Taschenbuch finden könnt.

Dieser Hergang zeigt, dass ich das nehme[-was kommt], was mir in den Sinn kommt oder über den Weg läuft, mich „anmacht“ und nicht mehr [-loslässt. Das können Geschichten über blinde Menschen sein oder auch nicht. Da war und bin ich ganz offen. Und ich habe mich von Anfang an geweigert, die Wahrscheinlichkeitsrechnung zu bemühen, ob und wann es denn so weit ist, dass ich über andere blinde Menschen oder mich selbst schreibe.

Selbstverständlich kenne ich viele Menschen, die vollblind sind wie meine Wenigkeit. Ich kenne Geburts-, Früh- und Späterblindete. Und man schreibt über das, was man kennt. Doch ich kenne nicht nur blinde Menschen. Ich kenne alte, junge, große, kleine und besondere Menschen, die trotz bestimmter Merkmale nirgendwo so richtig hineinpassen. Und die „Unpassenden“ interessieren mich vor allem, ob sie blind sind, andere Handicaps haben oder nicht.

In Gesprächen mit Leser*innen über Orca und den zweiten Roman Felicitas wurde ich oft gefragt, warum ich nicht über Blinde schreibe. Darauf hin habe ich immer gesagt, dass ich nicht ausschließe, über blinde Personen zu schreiben. Es aber nur dann tun würde, wenn mich eine Idee, in der eine blinde Person vorkommt, „anmacht“.

Im Roman Felicitas, den es ebenfalls als Ebook, Hör- und Taschenbuch z. B. auf meiner Autorenseite bei Amazon gibt, kommt die Cousine der Titelheldin vor. Sie heißt Gretchen Haechmanns. Allerdings ist sie durch den Unfall, den sie im Alter von sieben Jahren hatte, nicht nur erblindet. Über die Gemeinheit ihrer Eltern, ihre einzige Tochter wie eine bekannte Hexe zu nennen, muss an dieser Stelle nichts gesagt werden. Aber es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Gretchen und Felicitas Vertraute sind.

Im Jahr 2017 gab es eine Ausschreibung für einen Literaturwettbewerb mit dem Thema Aufstieg durch Bildung. Ursprünglich wollte ich an diesem Wettbewerb teilnehmen, als mir die Geschichte von Sibylle Leuchteblau einfiel. Zu einer Teilnahme ist es dann nicht gekommen. Das liegt auch daran, dass sich die Grundzüge von Sibylles Lebens- und Lerngeschichte mit dem Leben der Mordermittlerin Gesken Paulsen verwickelte. Auch sie hat einen sehr speziellen Lebensweg. Aber doppelt gemoppelt wäre wohl für den Wettbewerb zu viel geworden.

Es gibt Klischees über Blinde. Und ein Klischee ist die Musikalität blinder Menschen. In dem Sibylle Leuchteblau eine außergewöhnlich vielseitige Flötistin ist, bediene ich diese Vorstellung. An diesem Punkt begegnen wir wieder einmal dem Hauptproblem, das es mit geläufigen Vorstellungen immer gibt. Die Vorstellung, dass blinde Menschen aus dem Musizieren Freude, Lebenskraft und Entwicklungsmöglichkeiten schöpfen können, ist ja nicht falsch. Daraus für Blinde ein „Musikalitätsgesetz“ abzuleiten, hat mit der Lebensrealität kaum etwas zu tun.

So ist Sibylle Leuchteblau unendlich viel musikalischer als meine Wenigkeit. Musikbegeistert aber vollkommen ohne musikalische Vorbildung kam ich in die Blindenschule. Anders als viele meiner Altersgenossen hatte ich keine musikalische Frühförderung erhalten. Dabei galt es in gewisser Weise als normal, dass gerade mit blinden Kindern schon vor der Schulzeit gesungen wurde oder sogar Anfänge von Instrumentalunterricht gemacht worden war.

„Und wer schon etwas hat, dem wird gegeben.“ So bekamen meine Mitschüler weiterhin Einzelunterricht oder konnten schon in der Grundschulzeit in die Schulband.

Auch Bylle ist nicht für musikalische Förderung vorgesehen. Also ist ihre Geschichte mit der Musik die Geschichte einer Selbstbildung, eine Geschichte über die Eroberung eines vermeintlich selbstverständlichen Lebensbereich durch einen Menschen, der nichts weiter im Sinn hat, als sich selbst zu entwickeln. Und ich hoffe inständig, dass es mir im ersten Band gelungen ist und in den beiden weiteren Bänden gelingen wird, Bylles musikalischen Lebensweg in allen Details als das zu beschreiben, was er ist, Selbstentwicklung, Lebenselixier und ein Geschenk für sie und alle Menschen um sie herum.

Was ich ebenfalls hoffe, ist, dass Bylles Weg insgesamt lebensnah und vielseitig von mir beschrieben werden kann, ohne dass ich bloß nur ein Erklärbär für das Thema Blindheit bin. Ich kann mir nicht sicher sein, dass der kräftige Schuss Magie und Mythologie, den es in meinen Büchern immer gibt, als Würze gegen den trockenen Realismus reicht.

Meine Bücher findet Ihr z. B. unter dem Link zu meiner Autorenseite auf Amazon.

Und hier kommen die Links zum ersten Band von stille Bylle: Slaap min Kind up witte wulken:
Bei Amazon
Bei Googlebooks
Bei Kobo

Liebe Grüße

Paula Grimm

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